Socratic Questioning: Kritisches Denken im E-Learning fördern

5 Min. Lesezeit
Mo, 31.03.2025

Weil Informationen aus allen möglichen Quellen rund um die Uhr auf uns einprasseln, ist kritisches Denken wichtiger denn je. In diesem Artikel erfährst du, wie du deine Lernenden in Online-Kursen mit der Lernmethodik Socratic Questioning dazu anregst, kritisch zu denken und selbst Lösungen zu entwickeln.

“Ich weiß, dass ich nichts weiß.”

Es lässt sich herzhaft darüber diskutieren, was genau der griechische Philosoph Sokrates mit diesem Gedanken ausdrücken wollte. Bekannt und unbestritten ist jedoch, dass er sich ausführlich mit der Förderung seiner Schüler befasste. So verhalf er ihnen unter anderem zu neuen Erkenntnissen, indem er sie durch geeignete Fragen dazu veranlasste, selbst die Lösung zu einem Sachverhalt herauszufinden.

Das Prinzip des Socratic Questioning als didaktische Methode lenkt den Lernprozess durch strukturierte Fragen. Anstatt Wissen dozierend zu vermitteln, fordert diese Technik die Lernenden auf, eigene Antworten zu entwickeln, Annahmen zu hinterfragen und unterschiedliche Perspektiven zu betrachten. Dabei unterscheidet sich diese Lernmethodik vom einfachen Fragenstellen dadurch, dass sie systematisch zur Reflexion anregt und Lernende dazu bringt, tiefer über ein Thema nachzudenken.

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Die 6 Arten des Socratic Questioning 

Beim Socratic Questioning gibt es 6 zentrale Fragetechniken, die du gezielt einsetzen kannst, um das kritische Denken deiner Kursteilnehmer zu fördern:

1. Klarheitsfragen

Diese Fragen helfen dabei, Begriffe, Konzepte oder Argumente besser zu verstehen. Sie zwingen deine Lernenden, ihre Aussagen präziser zu formulieren und vage Begriffe zu konkretisieren.

  • Beispiel: “Kannst du das genauer erklären?“
  • Anwendung im E-Learning: Baue in dein Quiz eine Frage ein, die dazu auffordert, eine vage Definition in eigenen Worten klarer zu formulieren.

2. Hintergrundannahmen hinterfragen

Diese Fragen decken versteckte Annahmen und Vorurteile auf, die den Denkprozess beeinflussen.

  • Beispiel: “Welche Annahmen liegen dieser Aussage zugrunde?“
  • Anwendung im E-Learning: Rege z.B. in einem Ethik-Kurs eine Diskussion an, in der die Lernenden die Annahmen hinter bestimmten moralischen Urteilen reflektieren.

3. Beweise und Argumente prüfen

Diese Fragen helfen, Argumente kritisch zu hinterfragen und zu validieren.

  • Beispiel: “Welche Beweise unterstützen deine Meinung?“ oder “Gibt es Beweise, die dieser These widersprechen?“
  • Anwendung im E-Learning: Integriere z.B. in einem Online-Kurs über wissenschaftliches Arbeiten ein Lernmodul, in dem deine Kursteilnehmer verschiedene Quellen bewerten müssen.

4. Alternativen und Perspektiven erkunden

Diese Fragen ermutigen dazu, über alternative Sichtweisen nachzudenken.

  • Beispiel: “Gibt es eine andere Möglichkeit, das Problem zu lösen?“ oder “Wie würde jemand mit einer gegensätzlichen Meinung argumentieren?“
  • Anwendung im E-Learning: Fordere deine Teilnehmer in einem Fallstudien-basierten Training dazu auf, ein Problem aus verschiedenen Perspektiven zu analysieren.
Socratic Questioning - Bild im Text 1

5. Folgen und Implikationen untersuchen

Diese Fragen helfen, langfristige Konsequenzen einer Aussage oder Entscheidung zu reflektieren.

  • Beispiel: “Was wäre die langfristige Auswirkung dieser Entscheidung?“
  • Anwendung im E-Learning: Lass deine Lernenden z.B. in einem Kurs über nachhaltige Unternehmensführung überlegen, welche ökologischen oder sozialen Konsequenzen eine bestimmte Geschäftsstrategie haben könnte.

6. Fragen zu Grundannahmen und Konzepten

Diese Fragen gehen an die Wurzel eines Themas und fördern tiefere Reflexionen.

  • Beispiel: “Warum ist dieses Konzept überhaupt relevant?“ oder “Könnte das Gegenteil auch wahr sein?“
  • Anwendung im E-Learning: Fordere deine Kursteilnehmer z.B. in einem Philosophie-Kurs dazu auf, fundamentale Konzepte wie Wahrheit oder Gerechtigkeit zu hinterfragen.

Vorteile des Socratic Questioning im E-Learning

Socratic Questioning bietet zahlreiche Vorteile sowohl für die Lernenden als auch für die Leiter bzw. Ersteller von Online-Kursen: 

Vorteile für deine Kursteilnehmer

  • Fördert kritisches Denken: Anstatt Informationen einfach hinzunehmen, lernen deine Teilnehmenden, Inhalte zu hinterfragen, Argumente zu analysieren und fundierte Schlussfolgerungen zu ziehen.

  • Erhöht die Selbstständigkeit: Deine Lernenden entwickeln die Fähigkeit, sich selbst Wissen zu erschließen, anstatt passiv auf Antworten zu warten.

  • Stärkt das Problemlösungsvermögen: Durch gezielte Fragen werden deine Teilnehmenden dazu angeregt, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln.

  • Fördert eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema: Indem sie ihre eigenen Annahmen hinterfragen, setzen sich deine Lernenden intensiver mit dem Stoff auseinander und verankern ihr Wissen langfristig.

  • Erhöht die Motivation: Da diese Methode interaktiv ist und Raum für eigene Überlegungen lässt, fühlen sich deine Lernenden aktiver in den Lernprozess eingebunden.

Vorteile für Kursleiter und Ersteller von Lerninhalten

  • Ermöglicht eine gezieltere Wissensvermittlung: Statt bloße Fakten zu präsentieren, kannst du den Lernprozess mit durchdachten Fragen gezielt steuern.

  • Steigert die Interaktivität von Kursen: Lernende werden dazu ermutigt, sich aktiv am Kurs zu beteiligen, was die Aufmerksamkeit und das Engagement erhöht.

  • Fördert die Reflexion und Diskussion: Anstatt einfache Antworten zu geben, kannst du zu Diskussionen anregen und so verschiedene Perspektiven einbringen.

  • Erleichtert das Erkennen von Wissenslücken: Durch die Antworten deiner Lernenden kannst du als Kursleiter schnell feststellen, wo noch Unklarheiten bestehen, und gezielt darauf eingehen.

  • Unterstützt eine adaptive Didaktik: Die Methode erlaubt es dir, flexibel auf die Bedürfnisse deiner Lernenden einzugehen und Inhalte agil und individuell anzupassen.

Anwendung von Socratic Questioning im E-Learning

1. Diskussionsforen und Gruppenarbeiten

In Online-Kursen als Teil von Blended Learning kannst du das Socratic Questioning nutzen, um Diskussionen zu leiten. Ergänzend dazu kannst du strukturierte Debatten oder Peer-Reviews einsetzen, in denen die Teilnehmenden sich gegenseitig kritische Fragen stellen. Hier zwei konkrete Beispiele:
 
  • In einer Diskussion zu den ethischen Implikationen einer neuen Technologie forderst du deine Lernenden dazu auf, die Annahmen hinter den Argumenten der anderen Teilnehmer zu hinterfragen.

  • Bei einer Debatte über Umweltschutz fragst du die Lernenden gezielt nach den langfristigen Auswirkungen bestimmter politischer Entscheidungen und alternativen Perspektiven.

2. Interaktive Quizfragen mit Reflexion

Anstatt einfache Multiple-Choice-Fragen zu stellen, baust du offene Fragen in deinen Online-Kurs ein, die eine Begründung erfordern. Gib dazu Hinweise oder Gegenfragen, um das Denken weiter anzuregen. Zum Beispiel:
 
  • In einem Quiz zu einem mathematischen Konzept fragst du nicht nur nach der richtigen Antwort, sondern auch danach, warum diese Lösung gewählt wurde.

  • In einem Quiz zur Geschichte kannst du danach fragen, welche historischen Ereignisse alternative Interpretationen haben und warum diese Interpretationen wichtig sind.
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3. Fallstudien und Szenario-basiertes Lernen

Deine Kursteilnehmer können mithilfe von Socratic Questioning dazu gebracht werden, Probleme aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Eine zusätzliche Möglichkeit ist, verschiedene Lösungsansätze zu präsentieren und die Lernenden zu ermutigen, diese kritisch zu vergleichen. Hier zwei Beispiele:
 
  • In einem Wirtschaftskurs bittest du deine Lernenden, verschiedene unternehmerische Entscheidungen zu analysieren und zu hinterfragen, welche Annahmen hinter jeder Entscheidung stehen.

  • In einem medizinischen Kurs könnten verschiedene Diagnosen vorgestellt werden und die Lernenden müssen die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Behandlungen kritisch hinterfragen und Alternativen diskutieren.

4. Lernjournale und Reflexionsaufgaben

Deine Lernenden können regelmäßige Reflexionsfragen beantworten, um ihr eigenes Denken zu hinterfragen. Baue also in deine Kurse gezielte Feedback-Loops ein, um weitere Denkanstöße zu geben und Diskussionen in Gang zu bringen. Hier drei praxisorientierte Beispiele:

  • Frage deine Lernenden, wie sie ein erlerntes Konzept in ihrem täglichen Leben anwenden würden und welche Annahmen dabei eine Rolle spielen.

  • Ermuntere deine Kursteilnehmer z. B. in einem Management-Kurs dazu, über die Auswirkungen ihrer eigenen Entscheidung in einer hypothetischen Führungssituation nachzudenken und diese Entscheidung kritisch zu hinterfragen.

Fazit

Socratic Questioning ist eine kraftvolle Methode, um Online-Kurse - sei es Stand-alone oder als Teil von Blended Learning - interaktiver und tiefgehender zu gestalten. Durch gezielte Fragen regst du deine Lernenden dazu an, selbstständig zu denken, Annahmen zu hinterfragen und auf diese Weise nachhaltiges Wissen aufzubauen. Wenn du als Kursentwickler diese Lernmethodik in deine Inhalte integrierst, schaffst du eine Umgebung, in der echtes, kritisches Denken gefördert wird, was in einer informationsüberflutenden Welt voller Fake News und KI generierten Inhalten wichtiger ist denn je. 

Wir hoffen, dass wir dir mit diesem Artikel ein paar nützliche Ideen geben konnten und wünschen dir viel Erfolg mit der Socratic Questioning Lernmethodik!

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