Neurodiversität: Mehr Inklusion für Online-Kurse
Mit dem Begriff "Diversität" umarmen wir die Besonderheiten unserer Welt und werben für Aufklärung, Rücksicht und Inklusion. Das gilt auch für die Neurodiversität: Menschliche Gehirne funktionieren von Natur aus in vielen Ausprägungen unterschiedlich, was sich zwangsläufig auch auf den Lernprozess auswirkt. Wir gehen in diesem Artikel der Frage nach, wie du deine Online-Kurse an die Vielfalt neurodiverser Lernstile anpassen kannst.
Endlich vom Makel befreit
Es ist noch gar nicht sooo wahnsinnig lange her, dass man Menschen mit ungewöhnlichem Denkverhalten in psychiatrische Zwangsverwahrung nahm, garstigen Behandlungen unterwarf und der Möglichkeit beraubte, ein würdevolles Leben zu führen. Ganz vorbei ist es damit leider noch nicht, vor allem nicht in allen Teilen der Welt, doch Gott sei Dank wurde inzwischen durch emsiges Forschen festgestellt und allgemein akzeptiert, dass unterschiedliche kognitive Verarbeitungsstile in mehr oder weniger starker Ausprägung bei weitaus mehr Menschen vorkommen als man bislang dachte.
Was für viele Menschen gilt, kann so unnormal nicht sein, und weil sich mit hoher Sicherheit auch unter den Teilnehmenden deiner Online-Kurse “anders denkende” Menschen befinden, geben wir dir hier ein paar Tipps, woran du sie erkennst, und wie du Lerninhalte schaffst, die für eine breite, inklusive Lerngemeinschaft sinnvoll und effektiv sind.
Manche lernen eben anders
Per Definition beschreibt “Neurodiversität” die natürliche Vielfalt neurologischer Entwicklungen und Funktionen des menschlichen Gehirns. Als neurodivergent gilt ein Mensch, dessen Gehirn sich in seiner Struktur und Funktionsweise von neurotypischen Gehirnen unterscheidet. Aha.
Du hast sicherlich schon von Diagnosen wie ADHS, Autismus, Legasthenie oder Dyskalkulie gehört. Diese neurologischen Profile sind jedoch keine Defizite oder gar Krankheiten, sondern einfach nur alternative Verarbeitungsweisen im Gehirn, die oft spezifische Stärken, aber auch besondere Herausforderungen mit sich bringen.
Das zeigt sich besonders beim Lernen: Neurodivergente Gehirne verarbeiten Informationen oft auf andere Weise. Gerade in einer digitalen Lernumgebung stehen neurodivergente Menschen vor besonderen Hürden, die zuweilen nicht leicht zu überwinden sind. Das wirkt sich direkt auf Motivation, Verarbeitungsfähigkeit und das gesamte Lernerlebnis aus.
Damit du dir das vorstellen kannst, geben wir dir hier eine vereinfachte Beschreibung der wichtigsten Unterschiede im Vergleich zu neurotypischen Lernenden:
- Informationsverarbeitung: Während neurotypische Lernende Informationen schrittweise und linear verarbeiten, neigen neurodivergente Lernende z. B. bei ADHS dazu, in “Sprüngen“ zu denken oder mehrere Ideen parallel zu verfolgen. Das kann die Fokussierung auf eine einzige Aufgabe erschweren.
- Sensorische Verarbeitung: Neurodivergente Personen, besonders Menschen im autistischen Spektrum, haben oft eine intensivere oder empfindlichere Wahrnehmung für sensorische Reize. Geräusche, Licht und Texturen können intensiver wahrgenommen werden, was womöglich zur Überstimulation führt. Wenn das Gehirn durch die Vielzahl der Reize überfordert ist, zieht sich der Lernende häufig mental zurück: Die Lernsituation wird als unangenehm oder sogar belastend empfunden. In der Folge sinkt die Motivation zum Weitermachen und Kurse werden abgebrochen.
- Aufmerksamkeit und Konzentration: Neurodivergente Menschen mit Aufmerksamkeitsbesonderheiten haben häufig Schwierigkeiten, sich auf einen monotonen oder wenig ansprechenden Lerninhalt zu konzentrieren. Ein Online-Kurs, der zu statisch oder langatmig gestaltet ist, kann das Gehirn nicht ausreichend stimulieren. Dadurch schweift der Lernende gedanklich ab oder lässt die Aufgabe einfach fallen.
- Beeinträchtigung von Sprachverarbeitung und Leseverständnis: Für Personen mit neurodivergenten Profilen wie Legasthenie kann das Verarbeiten von schriftlichen Inhalten besonders anstrengend sein. Oft wird beschrieben, dass der Text vor ihren Augen “springt“ oder dass Buchstaben und Wörter verschwimmen und sich unruhig anfühlen. Durch das erschwerte Leseverständnis können Informationen nicht gut behalten werden, und die Lernenden müssen deutlich mehr Aufwand betreiben, um denselben Inhalt zu verstehen. Das ist entmutigend und führt oft dazu, dass sie das Lernen abbrechen. Sie profitieren davon, Inhalte visuell oder auditiv dargestellt zu bekommen, oder durch wiederholte Interaktionen und praktische Übungen Informationen zu verinnerlichen.
Du siehst also, wie unterschiedlich und intensiv neurodivergente Lernende auf ihre Umgebung reagieren und wie sich die Lernstruktur auf ihr Wohlbefinden und ihre Leistung auswirkt. Ein unterstützender Lernprozess kann hier für deutlich bessere Lernergebnisse sorgen, wenn du diese Aspekte gezielt adressierst.
Graue Zellen mit Grauzone
Online-Kurse bringen es mit sich, dass du womöglich gar nicht weißt, welche Persönlichkeiten sich hinter deinen Kursteilnehmern verbergen. Bei Blended Learning begegnest du deinen Lernenden zwar in Präsenzveranstaltungen, aber bei reinen E-Learnings kann es sein, dass sie komplett anonym bleiben. Damit du einschätzen kannst, inwieweit Neurodiversität für dich als Kursleiter oder -ersteller überhaupt ein Thema ist, haben wir uns aus deiner Perspektive ein paar Fragen gestellt:
1. Wie viele neurodivergente Menschen gibt es wirklich?
Die Dunkelziffer neurodivergenter Menschen ist schwer zu schätzen, liegt jedoch je nach Region und diagnostischer Praxis vermutlich sehr hoch. Studien und Experten vermuten, dass ein großer Anteil von Erwachsenen mit leichten Formen von ADHS, Autismus oder anderen neurodivergenten Ausprägungen leben, ohne je eine Diagnose erhalten zu haben. Besonders milde Ausprägungen werden selten erkannt, da sie im Alltag kompensiert werden können oder im Erwachsenenalter als “persönliche Eigenheiten“ gelten.
In Deutschland beispielsweise geht man davon aus, dass etwa 5 bis 7 % der Bevölkerung unentdeckte ADHS-Symptome aufweisen könnten, während mildere autistische Merkmale noch weniger dokumentiert sind. Dies zeigt, dass viele Menschen neurodivergente Merkmale aufweisen könnten, ohne sich dessen bewusst zu sein, was eine inklusive Lernumgebung für alle Lernenden noch wichtiger macht.
2. Gibt es auch schwächere Formen der Neurodiversität, die den jeweiligen Betroffenen gar nicht bewusst sind, sich aber auf ihr Lernverhalten auswirken?
Ja, neurodivergente Merkmale treten in einem breiten Spektrum auf: von stark ausgeprägten Formen bis hin zu leichten, fast unmerklichen Varianten. Viele Menschen zeigen zwar neurodivergente Tendenzen, jedoch sind diese nicht ausreichend ausgeprägt, um diagnostiziert zu werden. Solche Menschen könnten beispielsweise leichte Konzentrationsschwierigkeiten, sensiblere Wahrnehmung oder Schwierigkeiten beim Strukturieren von Aufgaben haben, ohne dass sie selbst oder ihre Umwelt dies als neurodivergent wahrnehmen.
Diese unauffälligen Ausprägungen können jedoch das Lernverhalten beeinflussen, z. B. durch eine schnelle Ermüdung bei langen, textbasierten Inhalten oder die Vorliebe für visuelle oder interaktive Lernformen. Gerade bei Erwachsenen bleibt solche Neurodivergenz oft unentdeckt, da sie sich im Laufe der Jahre individuelle Strategien angeeignet haben, um ihren Lernprozess zu erleichtern.
3. Inwieweit sollte ich davon ausgehen, dass es in meinen Kursen neurodivergente Lernende gibt?
Du solltest grundsätzlich davon ausgehen, dass einige deiner Lernenden neurodivergente Merkmale aufweisen. Inklusive Lernumgebungen kommen allen Lernenden zugute und schaffen einen Raum, in dem sich jeder wohlfühlen und entfalten kann. Eine flexible und diverse Gestaltung deiner Lerninhalte ist daher eine wertvolle Maßnahme, um auch jene Lernenden zu unterstützen, die möglicherweise geringfügige neurodivergente Ausprägungen haben. Selbst wenn nur wenige Kursteilnehmer tatsächlich neurodivergent sein sollten, profitieren doch alle Lernenden von der zusätzlichen Zugänglichkeit und den vielfältigen Präsentations- und Interaktionsmöglichkeiten.
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4. An welchem Verhalten meiner Lernenden in einem Online-Kurs erkenne ich, dass sie evtl. neurodivergent sind?
Es gibt bestimmte Verhaltensweisen, die auf neurodivergente Merkmale hindeuten können, auch wenn sie nicht immer eindeutig darauf zurückzuführen sind. Hierauf könntest du achten:
- Unregelmäßige Teilnahme oder Teilnahme in ”Schüben“: Neurodivergente Lernende zeigen häufig wechselnde Muster von intensiver Teilnahme gefolgt von Rückzug oder geringerem Engagement.
- Schwierigkeiten, klare Aufgabenstrukturen zu bewältigen: Lernende könnten nach zusätzlichen Erklärungen fragen, sich überfordert zeigen oder Schwierigkeiten haben, komplexe Aufgaben zu organisieren.
- Sensible Reaktion auf bestimmte Darstellungen: Manchmal zeigen neurodivergente Personen deutliche Präferenzen oder Abneigungen gegenüber bestimmten visuellen oder auditiven Reizen, z. B. grellen Farben oder Geräuschen.
- Übermäßige Notizen oder Vermeidung textlastiger Lerninhalte: Wenn Lernende sich ausführlich Notizen machen oder das direkt Gespräch über den Lerninhalt suchen, könnte das ihre Art sein, mit dem für sie schwierigen Verarbeiten von Texten klarzukommen.
Achtung: Diese Verhaltensweisen können auch andere Ursachen haben. Dennoch können sie dir dabei helfen, um als Kursleiter aufmerksam und einfühlsam auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Lernender zu reagieren.
So passt du deine Online-Kurse an neurodivergente Lernstile an
Da Studien zufolge eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass einzelne deiner Teilnehmer neurodivergente Tendenzen in unterschiedlichen Ausprägungen aufweisen, lohnt es sich, deine Kurse so zu gestalten, dass sie allen Lernenden ein angenehmes und stressfreies Lernklima bieten. Mit den folgenden Tipps schaffst du mehr Inklusion in deinen E-Learnings und sorgst dafür, dass alle Teilnehmer deine Kurse erfolgreich absolvieren können.
1. Gestalte deine Lerninhalte in alternativen Formaten
Biete deine Lerninhalte jeweils in alternativen Darstellungsformaten an: Du könntest einen Text zum Beispiel auch als Audio- oder Video-Datei einsprechen oder in Form von Grafiken oder Powerpoint-Präsentationen darstellen. Ein neurodivergenter Mensch könnte sich z. B. durch eine visuelle Darstellung leichter auf die Inhalte konzentrieren, während ein anderer Lernender die Informationen besser aufnimmt, indem er sie anhört.
In deiner blink.it Lernplattform legst du für die alternativen Formate jeweils separate Lerneinheiten oder Kapitel an. Informiere deine Kursteilnehmer darüber, dass der Lernstoff inhaltlich jeweils derselbe ist und nur einfach unterschiedlich transportiert wird. Stelle es den Kursteilnehmern frei, selbst das Darstellungsformat zu wählen, mit dem sie die Lerneinheiten, Kapitel oder auch den ganzen Kurs absolvieren möchten.
2. Strukturiere die Kurselemente klar und einfach
Strukturierte Inhalte, die in überschaubare Abschnitte bzw. Kapitel unterteilt sind, tragen erheblich dazu bei, die kognitive Belastung zu reduzieren. Verwende für die Titel der Lerneinheiten klare Überschriften und Schlüsselbegriffe, um die Inhalte zu gliedern und leicht erfassbar zu machen. Wenn du in deiner blink.it Lernplattform die einzelnen Blinks mit Vorschaubildern versiehst, dann achte darauf, dass sie visuell nicht zu unruhig sind, um beim Lernenden den Fokus auf den Überschriften zu halten.
Auch bei reinen Text-Blinks solltest du auf klare Strukturen achten, z. B. durch Aufzählungs-Punkte und hervorgehobene Schlüsselbegriff oder -sätze.
3. Biete kurze Kapitel und viele Pausen an
Neurodivergente Lernende profitieren oft von einem individuellen Lerntempo, weshalb E-Learning über eine Lernplattform wie blink.it für sie ideal ist. Biete deinen Lernenden lieber viele kurze Kapitel an als wenige sehr lange Kapitel: Auf diese Weise haben sie häufiger die Möglichkeit, eine Pause einzulegen oder ein Kapitel zu wiederholen.
Du solltest auch gut darüber nachdenken, wie viel Zeitdruck du für das Absolvieren der Kapitel oder des gesamten Kurses aufbaust. In blink.it kannst du festlegen, bis wann Lerneinheiten oder ein ganzer Kurs absolviert sein müssen. Denke daran, dass manche Lernende nicht ganz so fix sind wie andere, also könntest du ihnen an dieser Stelle möglichst viel Flexibilität lassen.
4. Vermeide eine Reizüberflutung
Grelle Farben, schnelle Animationen und laute Hintergrundgeräusche überfordern viel mehr Menschen als du ahnst. Wenn du möchtest, dass sich alle deine Lernenden auf den Lernstoff konzentrieren können, solltest du in deinem Material alles vermeiden, was ablenkt oder für Unruhe sorgt. Verwende stattdessen bei der Gestaltung deines Kursmaterials einen klaren, neutralen Stil, angenehme Farbtöne und eine ruhige Geräuschkulisse.
Achte besonders bei Videos darauf, dass der Lerninhalt deutlich im Vordergrund steht: Nehmen wir als Beispiel ein Video von dir selbst, in dem du einen Sachverhalt erklärst. Nun stell dir vor, du stehst dabei direkt neben einer stark befahrenen Straße und bei der Videobearbeitung fügst du auch noch eine Hintergrundmusik hinzu. Da wird sich wohl kaum jemand auf das konzentrieren können, was du sagst, oder? Bei neurodivergenten Menschen kann das so weit gehen, dass sie dein Video “kaum aushalten” können und sich nicht ansehen wollen. Damit sind sie für dich als Lernende verloren.
5. Biete Gruppenarbeit und das direkte Gespräch an
Einigen neurodivergenten Lernenden hilft es enorm, in kleinen Gruppen oder mit einem Coach zu arbeiten. Wenn du Blended Learning anbietest, dann baue in deine Präsenzveranstaltungen Gruppen-Übungen und Gesprächsrunden ein, um den Austausch zu fördern. Außerdem bietest du auf diese Weise Gelegenheit für unauffällige Rückfragen. Ermuntere deine Kursteilnehmer weiterhin dazu, ihre Gedanken in Notizen festzuhalten, da auch dies das Gelernte entscheidend vertieft.
In deiner blink.it Lernplattform steht dir ein Feedback-Bereich zur Verfügung, in dem du die Lerninhalte mit deinen Kursteilnehmern besprechen kannst: Motiviere sie dort zum direkten Austausch untereinander, indem du selbst in jedem Blink das Gespräch beginnst und aktiv dazu einlädst, Fragen zu stellen oder auch einfach nur Kommentare zum Lerninhalt abzugeben. Damit förderst du das Gemeinschaftsgefühl und baust Spannungen ab.
Für eine diverse Lerngemeinschaft
Der Erfolg deiner Online-Kurse hängt zunehmend davon ab, ob sie die neurodiversen Bedürfnisse aller Lernenden berücksichtigen. Indem du deine Kurse ganz bewusst inklusiv gestaltest, erreichst du eine viel breitere Teilnehmergruppe und steigerst die Wirksamkeit deiner Lerninhalte. Unsere Vorschläge für die Kursgestaltung helfen dir dabei, dein Kursangebot für alle Lernstile zugänglich und attraktiv zu machen. Damit schaffst du ein Lernumfeld, das wirklich alle Teilnehmenden anspricht und für gute Gefühle beim Lernen sorgt.
Wir hoffen, dass wir dir mit diesem Artikel ein paar aufschlussreiche Informationen und Impulse geben konnten, und wünschen dir viel Erfolg beim Erstellen inklusiver Online-Kurse!
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