Was eine digitale Lernplattform heute können sollte

8 Min. Lesezeit
Mi, 17.07.2024

Unternehmen hadern auch 2024 noch damit, Mitarbeitende digital weiterzubilden. Warum? Viele wollen das Weiterbildungsangebot – obwohl in Hülle und Fülle vorhanden – einfach nicht annehmen. Zu viele andere Verpflichtungen, irgendwie anstrengend, irgendwie „Schule” und so richtig Spaß kommt beim Lernen auch nicht auf. Was also muss eine digitale Lernplattform leisten, damit Menschen sie gerne benutzen?

In Sachen "Lernplattform"

Eine digitale Lernplattform (engl. Learning Mangement System) kann als ein integriertes System definiert werden, das Technologien und Werkzeuge bereitstellt, um Bildungsinhalte zu erstellen, zu verteilen und den Fortschritt der Lernenden zu überwachen. Sie soll den Lernprozess unterstützen, indem sie den Zugang zu Lernmaterialien erleichtert, die Zusammenarbeit fördert und personalisierte Lernerfahrungen ermöglicht. Eigentlich alles Punkte, die im Interesse von Unternehmen sind, ermöglichen sie doch Fortschritt, Innovation und Wettbewerbsvorteile. 

Und spätestens seit 2020 hat ein Großteil der Unternehmen solche digitalen Lernplattformen eingeführt oder zumindest darüber nachgedacht, sie einzuführen. So richtig viele Erfolgsprojekte gibt es aber nach wie vor nicht. Woran liegt das? Wahrscheinlich nicht an den inzwischen zu Hunderten aus dem Boden geschossenen digitalen Lernplattformen, die sich sehr häufig LMS, LXP oder ganz anders nennen, in puncto Funktionalität und Zielsetzung aber sehr ähnlich sind. 

Jetzt Termin für unverbindliches Erstgespräch vereinbaren!

 

Digitale Lernplattform nur für High Performer?

Sie verfolgen alle dasselbe Ziel: Mitarbeitende mit zusätzlichem Know-how auszustatten und so Fortschritt und Entwicklung zu nähren. Nun könnte man meinen, dass – neben den Unternehmen – natürlich auch Mitarbeitende an den genannten Punkten interessiert sind: Bringen sie doch auch das eigene Leben und Wirken voran, sparen unter Umständen Zeit ein und helfen beim Erklimmen der Karriereleiter. Dennoch sind viele dieser Systeme auf wissbegierige Highperformer optimiert und nicht auf Menschen, denen Lernen eigentlich gar keinen Spaß macht – genau das müsste ein solches System aber doch leisten! Wir wollen ja nicht nur diejenigen weiterbilden, die das ohnehin schon aus eigenem Antrieb tun, sondern auch jene, die das eigentlich müssten, könnten oder sollten.

Damit befinden wir uns in einem Zeitalter der digitalen Überflutung bei der Frage: “Will ich mir, zusätzlich zu meiner eigentlichen Arbeit, auch noch digitale Lerninhalte zumuten, die mein geistig-kognitives Verständnis zusätzlich fordern? Und noch wichtiger: Selbst wenn ich das mache, kann ich mir das alles eigentlich merken?”

Das erhöht die Anforderung an digitale Lernplattformen, denn es bringt nichts, wenn tausende Inhalte verfügbar sind, ich diese aber nicht möglichst niedrigschwellig und im Rahmen meiner geistigen Aufnahmefähigkeit konsumieren kann. Schließlich habe ich eigentlich keine Lust auf noch mehr Anstrengung. 😫 Und dann diese Erinnerungs-E-Mails: “Du musst dies und das …” Und eigentlich stresst mich das eher, als dass es mir hilft. 

Digitale Lernplattform - Bild im Text 1


Die Katharsis des digitalen Lernens

Was also wäre die Lösung? Inhalte möglichst „bite-sized” feilbieten. Okay, kurze Lerneinheiten sind gut, weil meine Aufmerksamkeitsspanne teilweise auf TikTok-Niveau rangiert, danke, wusste ich schon. Aber viel wichtiger ist doch, dass mich der Inhalt interessiert, fasziniert und mir einen offensichtlichen Mehrwert bietet, da er gerade ein im Idealfall akutes Problem von mir löst. Sonst kehren meine Schultraumata rund um das Thema binomische Formeln und Vektorenrechnung zurück, deren (zumindest für mich) beschränkter Alltagsnutzen in mir das Gefühl massiver Zeitverschwendung aufkommen ließ.

Also denke ich mir doch gerade mal ein Beispiel aus, wie man den unmotivierten Lernenden  zum Lern-Afficionado machen könnte:

Problem gelöst: Nie wieder SVerweis!

Ich habe mich gerade mal wieder am SVerweis in Excel abgemüht, der wieder irgendwelche komischen Excel-Dinge tut und ich habe keine Ahnung, warum. Und auf einmal stoße ich in meiner digitalen Lernplattform auf einen kleinen Videoinhalt (Dauer: 1:40 Minuten), der mich anschreit: “So sparst du dir den SVerweis”.

Wie riesig wäre das denn? Und plötzlich hätte ich in kurzer Zeit etwas gelernt, das mir auch noch etwas bringt. Vielleicht schaue ich dann als missionierter und zufriedener Lernkunde öfter mal in das ortsansässige LMS oder die digitale Lernplattform. Da findet man ja offenbar doch Dinge, die mir helfen und vielleicht absolviere ich dann auch mal eine Weiterbildung aus eigenem Antrieb, scheint sich ja wirklich jemand Gedanken gemacht zu haben. 

Digitale Lernplattformen sollen Produktivität fördern und Zeit sparen - tun sie oft aber nicht.

Dieser Fall ist natürlich sehr stark konstruiert, aber eigentlich müsste eine digitale Lernplattform genau das leisten: mir bedarfsorientiert Dinge beibringen und mir Möglichkeiten zeigen, wie ich Zeit spare und in der Folge produktiver sein kann.

Dazu muss ein System aus meiner Sicht folgendes leisten:

  • Der Zugang muss einfach und niedrigschwellig sein
  • Die Lerninhalte müssen gut verschlagwortet und per Volltextsuche leicht zu finden sein
  • Die Lerninhalte müssen schnell laden
  • Die Lerninhalte müssen attraktiv aufbereitet sein
  • Die Lerninhalte müssen mir passgenau bei der Lösung eines konkreten Problems helfen
  • Ich muss auf neue Inhalte aufmerksam werden, die zu meinem Bedarf passen

Für das Unternehmen bzw. jene, die die Lerninhalte erstellen, sieht die Welt allerdings komplett anders aus.

Die digitale Lernplattform ist für den oder die Lernbeautragte so etwas wie die fleischgewordene Offenbarung, ein Tempel des Wissens, der alles und noch mehr beinhaltet und aus dem man sich einfach nur bedienen muss. Nehmen wir mal LinkedIn Learning: Da ist doch wirklich so ziemlich alles an Wissen abgedeckt, was der Mensch heutzutage lernen will und kann. Und der oder die Mitarbeitende muss nur draufgehen und auf Play drücken. Großartig gelöst!

Niedrigschwellig, von überall erreichbar und zudem für so ziemlich alle Bereiche flexibel einsetzbar. Und doch macht es irgendwie keiner… Warum eigentlich? Ist doch alles da! Und trotzdem muss ich Menschen ständig daran erinnern, ihre Pflichtweiterbildungen über unser eigenes LMS zu machen. Die darin enthaltenen Inhalte haben wir schließlich mühevoll erstellt und halten diese stets aktuell - was für eine Arbeit, was für ein Pain. Undankbare Menschen. 

Digitale Lernplattform - Bild im Text 2


Die Suche nach der „Lern-KPI” 

Und trotzdem muss ich vor der Geschäftsführung meine Ziele (z. B. Weiterbildungsqote X für ISO-Zertifikat Y) erreichen und dann auch noch rechtfertigen, warum der Spaß eigentlich so viel Geld kostet … Auf der Suche nach der berühmten KPI, die den Lerneffekt misst und den RoI abbildet, ist schon so mancher verzweifelt. Fortschritts-Menschen sind nun einmal unterschiedlich, und wie und wodurch sie am besten lernen, lässt sich schwer pauschalisieren. Es gibt allenfalls Lernziele in Form von Prüfungen, die Wissen abfragen und entsprechendes Grundwissen voraussetzen – aber auch hier ist die aus sich selbst heraus lernende Organisation in weiter Ferne.

Der aktuelle Stand, der sich ständig ändert

Bleibt die Herausforderung und der Anspruch zumindest aktuelle Wissensstände ins LMS einzupflegen und den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich am Puls der Zeit weiterzuentwickeln. Dazu müsste man aber – da in Unternehmen ja durchaus unterschiedliche Fachdisziplinen gefordert sind – sich in jedem dieser Bereiche zumindest fundiert auskennen. Keine leichte Aufgabe neben dem eigentlichen Tagesgeschäft. Da müsste man Inhalte schon wieder kuratieren lassen, durch die Hände von Fachexperten gehen lassen und dann wieder entsprechend distribuieren. Aufwand, Aufwand, Aufwand … Und dann ist die Person, die kuratieren kann, im Urlaub usw.

Was müsste eine digitale Lernplattform hier leisten?

Ganz einfach: Sie müsste auch hier Arbeit abnehmen, anstatt Arbeit zu produzieren. Im Zweifelsfall machen die Lernenden die Recherchearbeit selbst, wissen sie doch am besten, was sie lernen wollen und müssen. Doch dafür müssen die eingangs genannten Voraussetzungen erfüllt sein und zu allerst: Die Menschen müssen gerne mit der Lernplattform arbeiten! Das sicherzustellen ist viel schwieriger als sich das zunächst anhört. Vielleicht ist aber auch der Anspruch an diese Systeme als Heilsbringer und Problemlöser mancherorts zu hoch;  eine Vielzahl von Funktionen, darunter Kursverwaltung, Lernfortschrittsverfolgung, Bewertungstools und Kommunikationsmöglichkeiten sind eben nur Funktionalitäten, die Voraussetzungen schaffen, um folgende Probleme zu lösen:

  • Zugänglichkeit und Flexibilität: Mitarbeitende haben oft unterschiedliche Zeitpläne und Arbeitszeiten. Digitale Lernplattformen ermöglichen es, Lerninhalte jederzeit und überall zugänglich zu machen, was die Flexibilität und Teilnahme erhöhen kann oder zumindest begünstigt.

  • Kosteneffizienz: Traditionelle Schulungen können teuer und logistisch aufwendig sein. Online-Lernplattformen reduzieren Reisekosten, Raummieten und Druckkosten, was zu erheblichen Einsparungen führen kann.

  • Zentrale Verwaltung: Eine digitale Lernplattform zentralisiert die Verwaltung von Schulungsunterlagen und -prozessen, was die Effizienz und Konsistenz erhöht.

  • Skalierbarkeit: Unternehmen wachsen und verändern sich ständig. Digitale Lernplattformen können leicht skaliert werden, um den Schulungsbedarf eines wachsenden Unternehmens zu decken.

  • Individuelle Lernpfade: Mitarbeitende haben unterschiedliche Lernbedürfnisse und -geschwindigkeiten. Digitale Lernplattformen ermöglichen personalisierte Lernpfade, die auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele der Lernenden zugeschnitten sind.

  • Fortschrittsverfolgung und Analyse: Unternehmen können den Lernfortschritt ihrer Mitarbeitenden verfolgen und analysieren, um den Erfolg von Schulungsprogrammen zu messen und kontinuierlich zu verbessern. Messbare Ergebnisse sind gleichzeitig wichtig als Nachweis gegenüber Zertifizierungsstellen, Behörden und übergeordneten Gremien.

  • Interaktive Lernmethoden: Moderne Lernplattformen bieten interaktive und ansprechende Lernmethoden wie Videos, Quizze, Simulationen und Gamification, die das Lernen effektiver und interessanter machen können.

  • Compliance und Zertifizierung: Viele Branchen erfordern wiederkehrende Schulungen und Zertifizierungen. Digitale Lernplattformen stellen sicher, dass alle Mitarbeitenden die notwendigen Schulungen absolvieren und ihre Zertifizierungen aktuell halten. Gleichzeitig wird es Weiterbildungsbeauftragten ermöglicht, hier den Überblick zu behalten, Erinnerungen zu versenden und Lernfortschritte zu überwachen.

  • Zusammenarbeit und Wissensaustausch: Digitale Lernplattformen fördern die Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen zwischen den Mitarbeitenden, was zu einer besseren Teamarbeit und Innovationsfähigkeit führen soll. In der Realität ist dies allerdings schwer nachzuweisen.

  • Kontinuierliche Weiterbildung: In einer sich schnell verändernden Arbeitswelt ist kontinuierliche Weiterbildung entscheidend. Digitale Lernplattformen unterstützen die ständige Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und halten ihre Fähigkeiten auf dem neuesten Stand. Dazu ist allerdings viel Zuarbeit nötig, sofern man kein System im Einsatz hat, das mithilfe von KI Lernempfehlungen abgibt und individuelles Upskilling betreibt. 


Diese Funktionen sollte eine moderne digitale Lernplattform haben:

  • Benutzerfreundlichkeit: Eine intuitive und benutzerfreundliche Oberfläche, die es den Nutzern ermöglicht, sich leicht zurechtzufinden und ohne große technische Kenntnisse zu navigieren.

  • Mobiles Lernen ermöglichen: Unterstützung für mobile Geräte, sodass Mitarbeitende von überall aus und zu jeder Zeit auf Lerninhalte zugreifen können.

  • Personalisierte Lernpfade: Anpassungsfähige Lernwege, die den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Lernenden gerecht werden.

  • Interaktive Inhalte: Bereitstellung von vielfältigen und interaktiven Lerninhalten wie Videos, Quizze, Simulationen und Gamification-Elementen, um das Lernen ansprechender zu gestalten.

  • Fortschrittsverfolgung und Berichterstattung: Umfangreiche Tracking- und Reporting-Funktionen, die es ermöglichen, den Lernfortschritt und die Leistung der Mitarbeitenden zu überwachen und zu analysieren.

  • Integrationsfähigkeit mit anderen Systemen: Fähigkeit zur nahtlosen Integration mit anderen Unternehmenssoftwarelösungen wie HR-Systemen, um Daten und Prozesse zu synchronisieren.

  • Sicherheit und Datenschutz: Hohe Sicherheitsstandards und Datenschutzmaßnahmen, um die sensiblen Daten der Lernenden und des Unternehmens zu schützen.

  • Community- und Kollaborationsfunktionen: Werkzeuge, die den Austausch und die Zusammenarbeit unter den Lernenden fördern, wie Foren, sowie Chat- und Kommentar-Funktionen.

  • Automatisierte Benachrichtigungen und Erinnerungen: Funktionen, die die Lernenden an bevorstehende Kurse, Deadlines und Updates erinnern, um die Teilnahme und den Abschluss von Schulungen zu verbessern.

  • Zertifizierung und Anerkennung: Möglichkeit zur Ausstellung von Zertifikaten und Anerkennungen für abgeschlossene Kurse und Lernpfade, um die Motivation der Mitarbeitenden zu erhöhen und Compliance-Anforderungen zu erfüllen.

Wie diese Aufschlüsselung zeigt, gibt es einen Gap zwischen den Lernbedürfnissen von Nutzern und den Bedürfnissen jener, die die Systeme mit Inhalten befüllen und/oder betreiben. Das ist aus den genannten Rollen heraus auch total natürlich, unterschiedliche Zielstellungen haben jedoch den Nachteil, dass digitale Lernplattformen weder der einen noch der anderen Seite wirklich genügen, da sie gezwungen sind, immer einen Spagat zu machen.

Umdenken tut Not

Ein für den Konsumenten im Frontend interaktives, leicht und schnell benutzbares System, muss „hintendran”, also im Backend, noch lange nicht ebenso einfach und logisch aufgebaut sein. Der Grund ist, dass vollkommen unterschiedliche Bedürfnisse in einer Software befriedigt werden müssen. Und das führt dazu, dass beide Seiten - manchmal auch zu Recht - unzufrieden mit ihren digitalen Lernplattformen sind. 

Vielleicht macht es aber auch Sinn, den Weiterbildungswillen nicht über Features und Software zu befeuern, sondern über zwischenmenschliche und unternehmensseitige Lernanreize, eine produktive und fortschrittsgetriebene Arbeitsatmosphäre und Führungspersonen, die Fortschritt, Qualifizierung und Lernerfolg nicht nur anhand von Budgets messen. Es braucht daher ein Umdenken, das der gesamten Branche gut tun würde. 

Wir hoffen, dass dir dieser Artikel gefallen hat, und wünschen dir mit dem digitalen Lernen weiterhin viel Erfolg!

E-Mail Benachrichtigung erhalten